Am 1. September war es soweit. Die LEADER-Region Schönburger Land, das Denkmalnetz Sachsen und das Zentrum für Baukultur Sachsen (ZfBK) luden unter Federführung der LEADER-Region Schönburger Land zum ersten Thementag „Scheune, Stall & Co.“ nach Niederfrohna ein.

Baukultur im ländlichen Raum

Im Fokus der Veranstaltungen standen die den ländlichen Raum in besonderer Weise prägenden wirtschaftlichen Nebengebäude und dörflichen Hofanlagen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging die landwirtschaftliche Nutzung für die Mehrheit dieser Gebäude verloren, die danach oftmals verfielen. Ziel der Veranstaltung war es daher den Blick auf ihre Potenziale für die Wahrung regionaler Identität wie für die regionale Entwicklung zu lenken.

Einen ersten Einstieg in das Thema bot Holger Quellmalz, stellvertretender Vorstand der Region Schönburger Land e.V. und Bürgermeister von Oberwiera. In seiner Begrüßung betonte er, dass das Bewusstsein für den baukulturellen Wert und die identitätsstiftende Funktion dieser Gebäude keineswegs fehlt. Gleichwohl lenkte er zu der entscheidenden Frage für Eigentümer:innen und Kommunen hin, wie mit diesen Objekten umzugehen ist und durch welche Nutzungen sie erhalten werden können.
Jens Hinkelmann, Bürgermeister von Niederfrohna, zeigte am Beispiel des Tagungsortes Lindenhof wie eine nachhaltige Umnutzung gelingen kann, wenn sich viele Menschen gemeinsam auf den Weg machen. Wenn auch keine Scheune, konnte hier doch ein leerstehendes, zentral liegendes Gebäude zum Begegnungszentrum für den Ort und sein bemerkenswert reges Vereinsleben umgenutzt werden.

Einen Überblick darüber, was Baukultur ausmacht, gab Juliane Naumann, Geschäftsführerin des Zentrums für Baukultur Sachsen, in ihrem Impulsreferat „Umbaukultur im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses“ und verwies dabei unter anderem auf den Mehrwert für die Umwelt durch Bestandserhalt, die Wiederverwendbarkeit traditioneller Baumaterialien wie auch auf die ästhetische Nachhaltigkeit dieser Objekte.

Entscheidungsspielräume kennen

Möglichkeiten und Grenzen bei der (Um)Nutzung ehemaliger Stall- und Speichergebäude thematisierte Thomas Noky vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen. In seinem Vortrag machte er deutlich, dass eine Wohnnutzung gerade unter den Bedingungen der aktuellen Energiewende keineswegs für alle diese Gebäude eine realistische und umsetzbare Lösung ist. So lassen sich beispielsweise Bruchsteingebäude nach heutigen Kriterien und mit der aktuell verfügbaren Technik kaum nachhaltig energetisch beheizen. Und auch der ursprüngliche Charakter von Scheunen ist bei einer Umnutzung zum Wohngebäude nicht immer leicht zu bewahren. Dennoch hielt Herr Noky fest, dass es eine Nutzung braucht, um Kulturdenkmale zu erhalten. Auflagen der Denkmalpflege müssen daher immer auch gut begründet und für die Eigentümer:innen von Denkmalen nachvollziehbar sein.

Besonders spannend waren die Ausführungen von Erik Wagner vom Referat Bauantragsbearbeitung im Landkreis Mittelsachsen. Herr Wagner skizzierte die aktuelle Baugesetzgebung und die rechtlichen Grundlagen für Entscheidungsspielräume, um ein nachhaltiges (Weiter)Bebauen sowie den Erhalt lokaler Baukultur und gewachsener Siedlungsstrukturen zu ermöglichen. Dabei plädierte er für ein ganzheitliches Denken bei der Dorf- und Stadtentwicklung. Ein Instrument dafür ist seit diesem Jahr die Bau- und Grünfibel, die vom Referat Bauantragsbearbeitung Mitteldeutschland und dem Institut für Landschaftsarchitektur der TU Dresden erarbeitet wurde. Damit wird den mittelsächsischen Kommunen eine Planungs- und Beurteilungshilfe für die künftige Dorfentwicklung an die Hand gegeben. Auch steht eine Informationsplattform zu Siedlungsformen, Siedlungs- und Kulturlandschaften, lokalen Besonderheiten, lokalen Baufirmen, Best-Practice-Beispielen und vielem anderen mehr bereit.

Vom Leerstand zur Nutzung

Beispielhafte zeitgenössische Wohnnutzungen alter Scheunen präsentierte Ines Pöschmann-Panzer, Architektin und Juryvorsitzende beim Staatspreis „Ländliches Bauen“. Mit dem Staatspreis soll Baukultur im ländlichen Raum sichtbar gemacht und gelungene Umnutzungsbeispiele in Sachsen vorgestellt werden.

Wie mit Engagement, Beratungsangeboten und Investitionsbereitschaft von Kommunen leerstehende Scheunen in Nutzung gebracht werden können, zeigte auch Erhard Demuth (ARS Architektur und Stadtplanung) mit dem Projekt „Scheune sucht Freund“ in Niedernhall (Hohenlohekreis, Baden-Württemberg). Das ganze Projekt mit seinen vielen inspirierenden Beispielen konnten sich die Teilnehmer:innen dann während der Pausen in der mitgebrachten Roll-Up-Ausstellung anschauen.

Mit Ausdauer und Herzblut

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Referenten und dem Vorhabenträger Mathias Engelmann aus Großharthau stellte Moderatorin Barbara Ditze (Projektleitung, Denkmalnetz Sachsen) fest, dass eigentlich alles, was man für das in Nutzung bringen dieser alten Wirtschaftsgebäude braucht, durchaus vorhanden ist. Die große Aufgabe ist hier, Anlaufstellen und Orientierung gerade für Neulinge in diesem Bereich zu bieten, wie es durch die Beratungsangebote des Denkmalnetzes Sachsen geschieht. Zum Schluss war es Denkmaleigentümer Mathias Engelmann, der festhielt, dass es vor allem aber viel Zeit und Herzblut braucht.

Von Ideen und (T)Räumen: Erfahrungsberichte aus der Praxis

Im zweiten Teil der Veranstaltung konnten die Teilnehmer:innen schließlich den Erfahrungsberichten von Vereinen und Eigentümer:innen zuhören, die mit ganz unterschiedlichen Zielstellungen an ihre Projekte herangegangen sind und über Herausforderungen und Erfolge sprachen.

Andreas Taesler, Vorstandsvorsitzender des Freundeskreises Zinzendorf-Schloss Berthelsdorf e.V. erzählte von der Sanierung und Umnutzung des Zinzendorfschlosses und der wirtschaftlichen Nebengebäude, der sich der Verein seit 1998 – dem Motto von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf „Wir woll´n uns gerne wagen …“ folgend – widmet. Auch dank bundesweiter Unterstützung und Förderungen durch Bund und Land konnte der Verein seine Vorhaben umsetzen. Mut machte dabei der Schlusssatz von Herrn Taesler, dass trotz aller Probleme die Freude über das Erreichte immer wieder überwiegt.

Einen Einblick in eine ganz andere Herangehensweise bot der Vortrag von Robby Hammer vom Luisenhof. Heilpädagogisch-Künstlerisches Therapeutikum Chemnitz e.V., bei dem die Idee zu einem alternativen Konzept von Leben, Lernen und Arbeiten einen Raum suchte. Das (Um)Bauen wird hier als ein Prozess verstanden, der gemeinschaftlich gestaltet und durch den ein Stück des kulturellen Erbes weitergetragen werden kann.

Dass es manchmal möglich ist, zu der ursprünglichen Funktion der ehemaligen Lager- und Speichergebäude zurück zu kommen, zeigte Mathias Engelmann mit seinem denkmalgeschützten Fachwerkhof in Großharthau. Eine der großen Herausforderungen, die ihm dabei begegneten, lag darin, gute Handwerker:innen und gute Baustoffe zu finden. Eine erste Hilfestellung bei der Suche nach passenden Fachleuten bietet die Webseite des Denkmalnetzes.

Zum Abschluss der Tagung zeigte Kay Arnswald (Zimmerer und Sachverständiger), der selbst Bauberatung für Interessierte anbietet, noch einmal eindrucksvoll anhand ausgewählter Beispiele wie alte Baumaterialien aufbereitet und wiederverwendet werden können, was bei der Sicherung und Lagerung verschiedener Baustoffe zu beachten ist und welche wichtige Rolle Bauteilearchive und Freilichtmuseen dabei spielen.

Danke!

Wir haben uns riesig über das große Interesse an unserer Veranstaltung, über das bunte Publikum und die vielen jungen Eigentümer:innen und natürlich über die vielen positiven Rückmeldungen gefreut. Wir danken der LEADER-Region Schönburger Land und dem Zentrum für Baukultur für die tolle Zusammenarbeit bei der Organisation, allen Referent:innen für ihre spannenden Beiträge, unseren großartigen Gastgebern im Lindenhof und natürlich allen Teilnehmer:innen, die sich auf den Weg nach Niederfrohna gemacht haben.

Und wir machen weiter. Erste Ideen für die Organisation eines direkten, unkomplizierten Austausches zu Sachfragen zwischen Eigentümer:innen wurden auf der Veranstaltung schon entwickelt. Und wir arbeiten daran, das Veranstaltungsformat auch in andere Regionen Sachsens zu bringen.

Sie haben Fragen dazu oder möchten einfach mehr erfahren? Schreiben Sie uns an beratung@denkmalnetzsachsen.de.

📷 Hendrik Jattke (LEADER Region Schönburger Land), LH, JK & DE (Denkmalnetz Sachsen)