Was ist denn das Denkmalnetz Sachsen und was kann Netzwerken bewirken? Das sind zwei Fragen, die uns seit Beginn immer wieder gestellt werden. Toralf Zinner, Barbara Ditze und Andreas Hirt, die das Denkmalnetz Sachsen gemeinsam leiten, im Gespräch mit Lena Lemke über Hintergründe und Erfahrungen.
Frau Ditze, was bedeutet für das Denkmalnetz Sachsen eigentlich Netzwerk?
Wir sehen in einem Netzwerk immer etwas Bewegliches. Die Situationen für den Denkmalerhalt sind nicht selten sehr individuell. Und wer am Erhalt eines Denkmals beteiligt ist, bringt vielfältige Kompetenzen mit: von Handwerksbetrieben, Restaurator:innen, Planungs- und Architekturbüros über Sachverständige bis hin zu Denkmaleigentümer:innen, die ebenso unterschiedlich sind wie ihre Bauwerke. Vertreter:innen aus Kommunalpolitik, Stadtentwicklung, Banken, Fachbehörden und Ministerien bringen sich ein und prägen häufig übergeordnete Rahmenbedingungen. Hinzu kommen Wissenschaftler:innen, Historiker:innen, Touristiker:innen, Stadtführer:innen die Hintergründe erforschen und vermitteln. Zahlreiche Ehrenamtliche und engagierte Vereine, die mit ihren Aktivitäten den Erhalt der Denkmale aktiv und lebendig unterstützen. Das Netzwerk umfasst daher all jene, die Verantwortung für das baukulturelle Erbe Sachsens tragen. Als Denkmalnetz Sachsen sehen wir darin ein lebendiges Ökosystem mit vielfältigen Verbindungen. Wie man sieht, sind es sehr unterschiedliche Berufs- und Akteurs:innengruppen, die es braucht, um ein Denkmal in die Zukunft zu führen. Ja, und als Denkmalnetz Sachsen wollen wir Orte schaffen und Wege aufzeigen, damit die unterschiedlichen Akteure zusammenkommen können. Vertrauensvolle Beziehungen, die ein lebendiges Netzwerk ausmachen, müssen aber die Menschen selbst knüpfen. Das passiert am besten im gemeinsamen Tun. Und das Gute ist: Jeder und jede ist mit den jeweiligen Kompetenzen und Wissen dabei, das Denkmalnetz Sachsen zu gestalten und mitzuentwickeln.
Wo können Sie „Vernetzung“ in ihrer Arbeit konkret ausmachen? Wie wird diese Vernetzung aktiv spürbar, Herr Zinner?
Als Denkmalnetz Sachsen sind wir häufig Initiator von Formaten, in deren Rahmen Akteur:innen sich austauschen können, wo es sonst keine gemeinsamen Strukturen gibt. Der Arbeitskreis zur Erhaltung der sächsischen Spinnmühlen ist ein sehr gutes Beispiel. Vor einigen Jahren bereits haben wir als Leipziger Denkmalstiftung Denkmaleigentümer:innen, Fachbehörden und Gemeinde- und Kommunalvertreter:innen zusammengebracht. Sie alle haben das Interesse, die großflächigen und ortsbildprägenden Bauten zu erhalten und wieder in Nutzung zu bringen. Mittlerweile ist es ein routinierter Kreis im Denkmalnetz Sachsen, der in speziellen Fällen erweitert wird. Bei der Spinnerei Venusberg II haben wir z.B. die zwei Studenten mit Prof. Schneider von der HTW Dresden ins Boot geholt, als es notwendig wurde, eine Laservermessung mittels Drohnenüberflug durchzuführen und das Objekt umfangreich zu dokumentieren (s.: Erfassung mit modernster Technik).
Mittlerweile gibt es auch eine Reihe von Studierenden verschiedener Fachrichtungen, die sich direkt mit ihren denkmalrelevanten Themen an uns wenden.
Verlässliche Beziehungen aufzubauen, die auch über einzelne Personen hinausgehen, ist notwendig, wenn es um die Zusammenarbeit mit den Ämtern und Behörden oder anderen Organisationen geht. Hierbei ist es wichtig, die Schnittmenge zu definieren, die Zusammenarbeit zu konkretisieren. Wer hat welche Expertisen und wie können sie eingesetzt werden, damit ein Mehrwert entsteht, ist eine wichtige grundlegende Frage. Das erfordert ein Kennenlernen und natürlich die Erprobung.
Herr Hirt, wo sehen Sie konkret den Mehrwert der Vernetzung?
In erster Linie profitiert natürlich das denkmalgeschützte Gebäude selbst davon. Es bekommt eine neue Nutzung, bestenfalls denkmalaffine Eigentümer:innen oder Nutzer:innen, eine fachgerechte Sanierung und eine angemessene Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.
Im Fokus stehen bei uns jedoch die Menschen, die sich mit viel Engagement den historischen Gebäuden annehmen. Denkmaleigentümer:innen selbst sehen im Denkmalnetz Sachsen einen neutralen und unabhängigen Ansprechpartner. Sie informieren sich im Rahmen der Orientierungsberatung über mögliche nächste Schritte. Das hilft bei der Entscheidungsfindung, sei es beim Kauf eines Baudenkmals, der energetischen Ertüchtigung, der Finanzierung oder dem Prozess einer Umnutzung.
Kern unserer Beratung ist die Ermittlung der Punkte, an denen der Erhaltungs- und Sanierungsprozess stockt. Wir zeigen dann Wege auf und vermitteln die Akteur:innen aus dem Netzwerk, die den Prozess voranbringen können. Den Mehrwert des Netzwerkens sehen wir daher vor allem darin, dass wir verschiedene Beteiligte zusammen ins Gespräch bringen. Denn nur so werden die differenzierten Sichtweisen zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedarfen und den Werten des Denkmals für die Gesellschaft wieder sichtbar.
Frau Ditze, sind das nicht Erfahrungen und Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden?
Doch, ganz besonders deutlich erleben wir auf Veranstaltungen, wie bereichernd es für die Denkmaleigentümer:innen ist, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Baudenkmale zu erhalten ist eine intensive und manchmal auch sehr persönliche Aufgabe, deren Fragestellungen und auch Ergebnisse geteilt werden möchten. Das Gefühl, es gibt ein Netzwerk, kann den Rücken stärken und motivieren. Deshalb freuen wir uns, wenn auf unserem Denkmalradar oder in den Social Media-Kanälen Denkmaleigentümer:innen zu Wort kommen und ihre Inspiration und Herausforderungen teilen. Auch in unserer Videoserie „DENKMALE L(I)EBEN“ kommen die Denkmaleigentümer:innen zu Wort und teilen Erfolge, Tipps und Herausforderungen.
Herr Zinner, gibt es so etwas wie Erfolgskriterien?
Ein Erfolgskriterium ist zum Beispiel, dass die Gefahr des Verlustes eines Baudenkmales gebannt werden kann. Aber auch kleine Schritte, wie positive Aha-Effekte, die bei den Beratenen eintreten, indem sie eben genau den nächsten Schritt zur Lösung, der sie und ihr Denkmal betreffenden Fragestellung, gemeinsam mit uns finden, stellen ein wichtiges Erfolgskriterium dar.
Eine Zukunftsgestaltung für ein Denkmal entsteht für uns daher in dem Einbringen der Kompetenzen Vieler, der gemeinsamen Auseinandersetzung über Vorstellungen und Sichtweisen sowie der Entwicklung von Lösungen.
Fotos: DNS, Malika Eilers, Uwe Frauendorf und Adrian Hirt


